Ein Plädoyer für Presse- und Meinungsfreiheit.

Wolfram Bölte.

Wolfram Bölte ist froh über eine große Meinungs- und Pressefreiheit.

 

Folgender Beitrag von Wolfram Bölte bezieht sich auf die Mitteilung „Ich bin nicht Charlie“ des Paderborner CDU Landtagsabgeordneten Daniel Sieveke.

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Daniel Sieveke ist nicht Charlie. Daniel Sieveke findet die Solidaritätsbekundungen mit Charlie Hebdo übermäßig. Daniel Sieveke will auf die Lebenswirklichkeit der Bürger Rücksicht nehmen, die “schlichtweg Angst” hätten.

Daniel Sieveke fragt, ob wir aus Solidarität alle Pegida wären, wenn es in Dresden zu einem Anschlag gekommen wäre.

Für mich hat es den Anschein, dass Daniel Sieveke nicht versteht, warum so viele Franzosen und mit ihnen viele Andere, sich mit so einer Vehemenz hinter Charlie Hebdo stellen. Charlie Hebdo teilt satirisch in alle Richtungen aus, das muss doch die Leute aufregen, warum gehen die für so ein Blatt auf die Straße, mag sich Daniel Sieveke fragen. Vielleicht weil diese Menschen verstanden haben, dass die Terroranschläge auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt ein Frontalangriff auf die innersten Werte der freien westlichen Demokratien waren. Auf Meinungs- und Pressefreiheit. Und die Grande Nation hat im Nachsatz durch den Trauermarsch unmissverständlich wirkliche Größe gezeigt.

Die Freiheit der Presse ist nicht verhandelbar

Die Freiheit zu sagen und zu publizieren was man denkt und wie man eine Sache sieht, wegen den Terroranschlägen auch nur einen Hauch einschränken zu wollen, kann doch wohl nicht Sievekes Ernst sein. Ja, Charlie Hebdo verletzt mit Sicherheit religiöse Gefühle mancher, aber wer die Vorzüge einer freien Gesellschaft genießt, muss so etwas aushalten können.

Beleidigungen von Religionen sind Teil unserer freien Gesellschaft, eine Freiheit die den Kirchen abgetrotzt wurde und unsere Gesellschaft tat und tut gut daran diese Freiheit aufrecht zu erhalten.

Sieveke: „Wie (sic!) erleben auch in Paderborn eine Dynamik der Debatten, die zu sehr pauschalisiert und Vieles über einen Kamm schert!“ Ich frage mich, an welchen Stammtischen er die Debatten verfolgt. Ich sehe in meinem Milieu keine Debatten, die alles über einen Kamm scheren. Ich interpretiere Sievekes Satz unter dem Strich übrigens mit “Der Islam ist für den Terror verantworlich.” Ich sehe, gerade auch in Paderborn überhaupt keine Bedrohungslage. Ich muss gestehen, dass ich persönlich nur in meinem weiteren Bekanntenkreis Muslime habe. Aber ich muss ebenso feststellen, dass ich noch nie Muslime als Gefahr gesehen habe. Ich habe sie nie über einen Kamm geschert, ich habe auch nie explizit den Islam für den Terror verantwortlich gemacht.

Ich bekomme manchmal den Satz zu hören, dass dem Islam die Zeit der Aufklärung fehle, wie es das Christentum hatte. Das mag sein. Wenn ich mir aber die Stammtischparolen angucke, die Sieveke in seiner Mitteilung zwischen den Zeilen wahrscheinlich anspricht, dann muss ich mich auch fragen, ob den Stammtischlern ihre ganz persönliche Zeit der Aufklärung fehlt.

Ich glaube Daniel Sieveke, wenn es für ihn eine Herausforderung ist, seinen Söhnen zu erklären, warum sich drei, vier Nachrichtenmeldungen pro Tag mit dem Islam auseinandersetzen. Ich frage mich, was Sieveke bei diesem Thema anspricht. Wird er seinen Söhnen sagen, dass auch im Namen des Christentums viel Unheil in der Welt angerichtet wurde, nur dass das, gottlob, schon vor längerer Zeit passiert ist? Wird er ihnen sagen, dass es immer wieder dazu kommt, dass Menschen im Namen einer Religion Unheil stiften und auch Menschen töten? Wird er seinen Söhnen vielleicht raten: Ihr seht was falsch verstandene Religiösität aus Menschen machen kann, lasst das mit der Religion lieber bleiben und orientiert Euch besser nur am Menschenbild der Aufklärung. Das ist sicherer und besser für die Menschheit. – Wohl kaum.

Die Parolen von Pegida muss man aushalten

Und wir wären natürlich nicht alle Pegida, wenn es in Dresden, aus Hass auf Pegida, zu einem Terrorakt gekommen wäre. Aber, und da bin ich mit meiner Meinung über alle Parteigrenzen nicht allein, wir müssen aushalten was Pegida vertritt. Denn die Grundrechte gestehen es auch Menschen der Pegida Bewegung zu ihre Meinung zu äußern, dass das Abendland islamisiert wird. Menschen, die, so dem Anschein nach, von persönlicher Verbitterung und existenziellem Neid geleitet werden. Auch wenn die meisten anderen Mitbürger (inkl. mir) diese Meinung für totalen Quatsch halten.

Ist es wirklich Lebenswirklichkeit, dass Bürger “schlichtweg Angst” haben? Oder ist es eher Angstmache? Aus welchem Grund auch immer betrieben. Ich spüre jedenfalls keine Angst in meinem Umfeld. Davon ab: Ja, auch in Deutschland gibt es Fanatismus und Extremismus. Auch offenkundig durch manche, die sich dabei auf den Islam beziehen. Diesem Problem muss man habhaft werden. Aber ich befürchte, dass es noch wesentlich mehr Fanatiker und Extremisten gibt, die bereit sind Gewalt anzuwenden und das Recht dazu aus einem rechtsextremistischen Gedankengut ableiten.

All die Geschehnisse der letzten Wochen bringen mich eher dazu mir eine noch offenere Gesellschaft zu wünschen. Eine Gesellschaft die auf dem Miteinander und dem Dialog fußt. Eine Gesellschaft die nicht die schnelle Lösung durch Verbote sucht. Eine Gesellschaft die Verständnis zeigt und Meinungen aushält. Aber natürlich auch eine Gesellschaft die handelt, wenn ihre Freiheit bedroht wird.


22. Januar 2015

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